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Giorgio  Strehler

Regisseur

Giorgio  Strehler

Regisseur

Geboren am 14. August 1921 in Triest, Italien
Gestorben am 25. Dezember 1997 in Lugano, Schweiz
Unterschrift
Giorgio  Strehler

Drei Faktoren dürften entscheidend gewesen sein für die Künstlerlaufbahn von Giorgio Strehler, seine Internationalität, seine dem Sozialismus zuneigende, anti-elitäre für eine proletarische Kultur eintretende politische Grundauffassung und sein überragendes Bühnentalent.

Als Sohn eines österreichischen Rudersportlers und einer Konzertpianistin slawischer Abstammung wuchs er nach dem frühen Tod des Vaters bei seiner aus Frankreich stammenden Großmutter in Mailand auf. Ende 1943 wurde er als Antifaschist und politischer Flüchtling von Freunden in die Schweiz geholt und dort interniert. Möglichst bald nahm er in Genf ein Studium der Jurisprudenz auf, wechselte aber bald zum Schauspielunterricht bei Jean Bart. Schon als siebzehnjähriger hatte er eine Ausbildung an der Accademia dei Filodramatici in Mailand begonnen und inszenierte dort 1943 in einer gemeinsam mit dem Kommilitonen Paolo Grassi gegründeten experimentellen Theatergruppe ("Gruppo Palcoscenico") erstmals drei Dramen von Luigi Pirandello. In Genf rief er unter den dort im Exil Lebenden die Schauspielgruppe "Compagnie des Masques" ins Leben und führte dort auch Regie.

Er kehrte dann nach Italien zurück und schuf schon 1947 in Mailand gemeinsam mit Paolo Grassi die Theatereinrichtung, der er mit kurzen Unterbrechungen sein ganzes Leben widmete und deren 50-jähriges Bestehen er noch erleben durfte, das "Piccolo Teatro", das entsprechend dem bei der Begründung geäußerten Vorsatz eine "Volksbühne mit Weltniveau" werden sollte. Dort inszenierte er vor allem Shakespeare, Goldoni, Pirandello und Brecht, der 1956 über seine Dreigroschenoper-Aufführung schrieb: "Sie haben mein Werk zum zweitenmal geschaffen!" Aber auch spanische Autoren wie Calderon, russische wie Tschechow, schweizerische wie Dürrenmatt und zahlreiche andere ausländische Dramatiker machte er in Italien heimisch. Mit Goldonis Komödien "Baruffe Chiozzote" und "Arlecchino, servo di due padroni" ging er 1966 und 1968 auf Tourneen, die ihn in ganz Europa berühmt machten. Schließlich wurde er auch als Opernregisseur sehr begehrt. Sein letztes Werk war eine Inszenierung von Mozarts "Cosi fan tutte", die er nicht mehr vollenden konnte und die am 27. Januar 1998 zu seinen Ehren uraufgeführt wurde. Der Unterschied zwischen den von ihm ausgearbeiteten und den nach seinem Tode vollendeten Partien machte noch einmal sein unvergleichliches Talent deutlich. Seine Regieführung war nicht eine darstellende Kunst wie die Schauspielerei, die er auch beherrschte, wie der Gesang oder wie das Spielen eines Instrumentes, sondem eine bildende Kunst wie die Malerei oder die Bildhauerei, nur dass das Medium keine Farben oder Stein und Erz, sondern lebendige Menschen sind.

Giorgio Strehler hat bei nahezu dreihundert Theaterstücken Regie geführt. Goethes Faust, in dem er selbst mehrfach die Titelrolle übernahm, hat er als die größte Herausforderung seiner Karriere angesehen. Sein Theater blieb immer experimentell. Das von ihm gegründete Piccolo Teatro hat er mit ungeheurer Anspannung aller Kräfte durch unerhörte Höhen und Tiefen geführt. Er schrieb auch Bücher über seine Kunst wie die nachdenklichen Reflexionen "Per un teatro umano" (Für ein menschliches Theater) 1974. Als Vorbereitung dafür können zahlreiche, Aufsehen erregende Artikel in Theaterzeitungen gelten. Nachdem er von 1983-1989 (neben dem Mailänder Piccolo Teatro) die Leitung des Pariser Europatheaters innehatte, wurde er 1989 vom Französischen Kultusminister Jack Lang zum Präsidenten der von ihm, Strehler, selbst begründeten Union der Theater Europas, einer Verbindung von zwölf europäischen Theatern, berufen.

Giorgio Strehler war in erster Ehe mit der Tänzerin Rosita Lupi und seit 1981 mit der deutschen Schauspielerin Andrea Jonasson verheiratet, die in vielen der von ihm inszenierten Theaterstücken in Hauptrollen mitgespielt hat.

Im Verlauf seiner Karriere erhielt Strehler die höchsten internationalen Auszeichnungen und Preise sowie die Ehrendoktorwürden angesehener Universitäten. Giorgio Strehler hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Geschichte des Theaters in der Welt maßgeblich mit bestimmt.

Aufnahme in den Orden 1992
Bildergalerie
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Giorgio  Strehler in Bildern der Tagungen des Ordens

Öffentliche Sitzung in der Aula der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, am 8. Juni 1993
von links: Giorgio Strehler, Wolfgang Gerok, Oberbürgermeister Dr. Hans Daniels, Rektor Prof. Max Huber, Frau Huber, Bundesminister des Innern Rudolf Seiters, Frau Zachau, Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker, Ordenskanzler Hans Georg Zachau

Öffentliche Sitzung in der Aula der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, am 8. Juni 1993 Übergabe des Ordenszeichens an Giorgio Strehler, von links: Ordenskanzler Hans Georg Zachau, Giorgio Strehler

1993
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