Im Jubiläumsjahr 2017 kann der Orden Pour le mérite auf 65 Jahre seines Bestehens im Rahmen der Bundesrepublik Deutschland zurückblicken.
Damit wirkt er unter dem Protektorat des Bundespräsidenten beinahe so lange wie unter jenem der Könige von Preußen (1842–1918). So wie sein Stifter, König Friedrich Wilhelm IV., den Orden in Form und Selbstverständnis bis zum Ende der Monarchie in Deutschland prägte, so sehr ist die nun zweitlängste Epoche in der Geschichte des Ordens mit dem ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss verbunden.
Seiner Initiative ist es zu verdanken, daß der 1952 beinahe erloschene Orden schon nach wenigen Jahren an seine nationale und internationale Reputation anknüpfen konnte, die er beinahe ein Jahrhundert lang vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte und die bis heute fortbesteht.
-
Theodor Heuss als Bundespräsident und Protektor des Ordens Pour le mérite im Kreise einiger Ordensmitglieder anlässlich der Öffentlichen Sitzung in der Universität Bonn am 31.03.1954
v.l.n.r.: Otto Hahn, Erich Hänisch, Enno Littmann, Max Hartmann, Eduard Spranger, Theodor Heuss, Gerhard Marx, Franz Blücher (Minister und Stellvertreter des Bundeskanzlers Konrad Adenauer)
Theodor Heuss (1884–1963) wurde 1945 zum ersten Kultusminister des Landes Württemberg-Baden ernannt und gehörte dem Stuttgarter Landtag 1946–1949 an. 1948 wurde er zum Gründungsvorsitzenden der Freien Demokratischen Partei (FDP) und zum Mitglied des in Bonn tagenden Parlamentarischen Rates gewählt. Als Bundespräsident prägte er 1949–1959 dieses Amt und die politische Kultur der frühen Bundesrepublik Deutschland maßgeblich.Heuss fühlte sich nicht nur als Staatsoberhaupt für das Schicksal des Ordens verantwortlich. Der private Bezug – sein Schwiegervater, der Nationalökonom Georg Friedrich Knapp, war 1918 in den Orden aufgenommen worden – hatte ihn schon 1942 bewogen, einen Artikel anläßlich des 100. Gründungstages des Ordens in der „Frankfurter Zeitung“ zu veröffentlichen.
-
Bundesarchiv
Brief von Theodor Heuss an den Ordenskanzler Enno Littmann vom 4. August 1954 betreffend die Übernahme des Protektorats über den Orden Nach der Wiederbesetzung aller 30 Stellen im Orden Pour le mérite, die für die stimmberechtigten deutschen Mitglieder vorgesehen waren, konnte am 1. Juni 1953 eine neue Fassung der Ordenssatzung beschlossen werden
Die aus dem Jahr 1924 stammende Satzung wurde an die neuen politischen Rahmenbedingungen angepaßt. In seinem Schreiben vom August 1954 an den Ordenskanzler bestätigte der Bundespräsident die neue Satzung und nahm das ihm von den Ordensmitgliedern angetragene Protektorat an.Der Bundespräsident zeigte sich vor allem über den Entschluß der Ordensritter, wieder ausländische Mitglieder in den Orden zu berufen, hoch erfreut, zumal das Verbot der Weimarer Verfassung, Orden an ausländische Staatsbürger zu verleihen, nicht mehr wirksam war.
Die Übernahme des Protektorats durch den Bundespräsidenten wurde durch die Unterschrift des Bundeskanzlers Konrad Adenauer auch von Seiten der Bundesregierung bestätigt.
-
Bundesarchiv
Brief von Theodor Heuss an den Ordenskanzler Enno Littmann vom 4. August 1954 betreffend die Übernahme des Protektorats über den Orden Nach der Wiederbesetzung aller 30 Stellen im Orden Pour le mérite, die für die stimmberechtigten deutschen Mitglieder vorgesehen waren, konnte am 1. Juni 1953 eine neue Fassung der Ordenssatzung beschlossen werden
Die aus dem Jahr 1924 stammende Satzung wurde an die neuen politischen Rahmenbedingungen angepaßt. In seinem Schreiben vom August 1954 an den Ordenskanzler bestätigte der Bundespräsident die neue Satzung und nahm das ihm von den Ordensmitgliedern angetragene Protektorat an.Der Bundespräsident zeigte sich vor allem über den Entschluß der Ordensritter, wieder ausländische Mitglieder in den Orden zu berufen, hoch erfreut, zumal das Verbot der Weimarer Verfassung, Orden an ausländische Staatsbürger zu verleihen, nicht mehr wirksam war.
Die Übernahme des Protektorats durch den Bundespräsidenten wurde durch die Unterschrift des Bundeskanzlers Konrad Adenauer auch von Seiten der Bundesregierung bestätigt.
-
berlin-bild
Zeitungsausschnitt vom 1. Juni 1967 Anläßlich des 125. Bestehens des Ordens Pour le mérite wurde am 31. Mai 1967 in der Freien Universität Berlin eine Festsitzung des Ordens abgehalten.
Das Bild zeigt den Bundespräsidenten Heinrich Lübke und seine Frau Wilhelmine in Begleitung des Ordenskanzlers, des Historikers Percy Ernst Schramm, sowie des Ordensritters und Physikers Otto Hahn. -
Zeitungsausschnitte, u.a. aus der Berliner Morgenpost vom 1. Juni 1967: Studententumult während der Öffentlichen Sitzung am 31. Mai 1967 anläßlich des 125. Bestehens des Orden Pour le mérite
Die Berliner Zeitungen berichten über den Verlauf der Festsitzung und die anschließenden Störaktionen linksradikaler Studentengruppen. In den Presseartikeln wird betont, daß die Studenten während der Feier von der Straße her durch Pfiffe und nach der Veranstaltung den Auszug der Gäste, vor allem des Bundespräsidenten, durch Sprechchöre und Geklapper gestört hätten.Beifall hätten allerdings einige Wissenschaftler wie die Physiker Otto Hahn und Carl-Friedrich von Weizsäcker oder der Historiker Gerhard Ritter erhalten. Auch ein Rundfunkkommentator habe den Orden als einen „zu liquidierenden ‚Altherrenklub‘“ bezeichnet.
Kritisch habe sich der Ordenskanzler Percy Ernst Schramm in seiner Festrede mit der Sinnhaftigkeit und den Preußischen Traditionslinien des Ordens sowie seiner Zusammensetzung befaßt, um schließlich zu betonen, daß sich der Orden nie zu Gegenwartsfragen geäußert und nie den Anspruch erhoben habe, als „Gewissen der Nation“ aufzutreten.
-
Bundesarchiv
Brief von Ordenskanzler Percy Ernst Schramm an den Redakteur der Zeitung „Die Welt“, Walter Görlitz, zur Frage der Wahrnehmung des Ordens in der Öffentlichkeit vom 7. Juli 1969
Das Werk des Historikers Percy Ernst Schramm (1894–1970), 1929–1963 Professor für Geschichte an der Universität Göttingen, zeichnet sich durch eine außergewöhnlich große Bandbreite an Themen und Epochen aus. Es reicht von der Geschichte der römisch-deutschen Herrscher im Hochmittelalter, über die Rolle der norddeutschen Kaufleute im Welthandel der Neuzeit bis hin zur Militärgeschichte des Zweiten Weltkriegs.Schramm wurde 1958 in den Orden aufgenommen, dessen Geschicke er als Kanzler 1963–1970 leitete. In seine Amtszeit fiel die Hinterfragung der Daseinsberechtigung des Ordens durch die Studentenbewegung und Teile der deutschen Presse, die den Orden als eine Inkarnation des Establishments ansahen.
Schramm war besonders darüber verärgert, daß auch eher konservativ eingestellte Presseorgane wie „Die Welt“, mit einer grundsätzlich geschichtsinteressierten Leserschaft, kaum Notiz von der Tätigkeit des Ordens nahmen.
-
Bndesarchiv
Antwort des Redakteurs der Zeitung „Die Welt“, Walter Görlitz, an Percy Ernst Schramm vom 14. Juli 1969
Der Redakteur der Zeitung „Die Welt“, Walter Görlitz, verspricht, auch im Namen des neuen Chefredakteurs der Zeitung, Dr. Kremp, künftig regelmäßig über die Öffentlichen Sitzungen des Ordens Pour le mérite zu berichten, verbunden mit der Bitte, zu diesen rechtzeitig eingeladen zu werden.
Brief von Ordenskanzler Percy Ernst Schramm an den Redakteur der Zeitung „Die Welt“, Walter Görlitz, zur Frage der Wahrnehmung des Ordens in der Öffentlichkeit vom 7. Juli 1969Das Werk des Historikers Percy Ernst Schramm (1894–1970), 1929–1963 Professor für Geschichte an der Universität Göttingen, zeichnet sich durch eine außergewöhnlich große Bandbreite an Themen und Epochen aus. Es reicht von der Geschichte der römisch-deutschen Herrscher im Hochmittelalter, über die Rolle der norddeutschen Kaufleute im Welthandel der Neuzeit bis hin zur Militärgeschichte des Zweiten Weltkriegs.
Schramm wurde 1958 in den Orden aufgenommen, dessen Geschicke er als Kanzler 1963–1970 leitete. In seine Amtszeit fiel die Hinterfragung der Daseinsberechtigung des Ordens durch die Studentenbewegung und Teile der deutschen Presse, die den Orden als eine Inkarnation des Establishments ansahen.
Schramm war besonders darüber verärgert, daß auch eher konservativ eingestellte Presseorgane wie „Die Welt“, mit einer grundsätzlich geschichtsinteressierten Leserschaft, kaum Notiz von der Tätigkeit des Ordens nahmen.
-
Deutsch-deutsche Teilung, Zuwahl eines Mitgliedes aus der DDR
Kurt Mothes (1900–1983) studierte Botanik, Chemie und Pharmakologie an der Universität Leipzig. Nach seiner Habilitation an der Universität Halle wechselte er 1935 auf den Botanik-Lehrstuhl der Universität Königsberg, den er bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst innehatte. Nach sowjetischer Kriegsgefangenschaft konnte er 1949 seine wissenschaftliche Tätigkeit wiederaufnehmen. Von 1957 bis 1967 wirkte er als Ordinarius für Botanik an der Universität Halle, wo er ein Akademie-Institut für Biochemie der Pflanzen aufbaute.Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Forscher auf diesem Fachgebiet. Auch als Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle (1954–1974) erwarb er sich große internationale Anerkennung, zumal er bemüht war, sich durch das Regime der DDR nicht politisch vereinnahmen zu lassen.
Diese unangefochtene Reputation Mothes‘ stellte der Ordenskanzler Percy Ernst Schramm in das Zentrum seiner Begründung für die Wahl des Botanikers zum Ordensritter. Die späte Wahl Mothes‘ in den Orden begründete er mit dem langjährigen Fehlen freier Stellen in der naturwissenschaftlichen Sektion des Ordens.
Der nun folgende Briefwechsel zwischen Schramm und Mothes ist von besonderer gegenseitiger fachlicher und menschlicher Wertschätzung geprägt. Umso größer ist das Bedauern des Gewählten, die Ordensmitgliedschaft nicht annehmen zu dürfen.
Das durch die DDR-Führung ausgesprochene Verbot deutet Mothes am Ende seines Schreibens vom 12. Juli 1968 an: „Fragen Sie mich bitte nicht nach den besonderen Gründen, die mich zu diesem vielleicht unbegreifbaren Schritt veranlaßt haben.“ Sowohl Mothes als auch Schramm rechneten von Beginn an mit dieser Entscheidung des DDR-Regimes, zumal Mothes ausdrücklich als „inländisches Mitglied“ gewählt worden war.
Seinen Brief vom 7. Juni schließt Mothes mit den Worten „Ich habe das geistige Deutschland auch in den schwersten Zeiten immer als mein Vaterland empfunden und bin ihm dienend verpflichtet. Dieses Deutschland der Menschenwürde sehe ich in Ihrer Gemeinschaft [dem Orden] verkörpert. Sie wird für mich eine ernste Verpflichtung sein, was auch kommen werde.“
Schramm betont in seinem Schreiben vom 19. Juni, daß 1966 bzw. 1967 ein „Jugoslawe“ bzw. ein „Ungar“ (die Byzantinisten Georg Ostrogorsky, Belgrad, und Gyula Moravcsik, Budapest) als Ordensritter gewählt worden seien, denen die Mitgliedschaft genehmigt wurde.
Für den Fall, daß dieses Mothes nicht möglich sein werde, kündigte der Ordenskanzler an, daß Mothes trotzdem in die Mitgliederliste des Ordens eingetragen werde, mit dem Vermerk „die Zuwahl noch nicht in Kraft getreten, da die erforderliche Genehmigung noch aussteht“.
-
Bundesarchiv
Mitteilung des Ordenskanzlers Percy Ernst Schramm an Kurt Mothes über dessen Wahl zum Ordensmitglied vom 1. Juni 1968
-
Bundesarchiv
Dankschreiben von Kurt Mothes an den Ordenskanzler vom 7. Juni 1968 in dem er seine Bereitschaft erklärt, die Wahl anzunehmen
-
Bundesarchiv
Brief von Kurt Mothes an den Ordenskanzler vom 12. Juli 1968, in dem er mitteilt, daß er die Wahl zum Ordensmitglied nicht annehmen könne
-
Bundesarchiv
Brief des Ordenskanzlers an Kurt Mothes vom 17. Juli 1968, in dem er betont, daß die Wahl trotz der bedauerlichen Absage rechtskräftig bleibe